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Springen an der Longe
Beim Springen an der Longe hat das Pferd seine ganze Bewegungsfreiheit. Ohne das Gewicht und die Einwirkungen des Reiters kann es ungezwungen seinen Körper einsetzen, seinen Springstil verbessern, seine Schubkraft entwickeln und seinen Spaß daran haben. Da es sich hauptsächlich auf sich selbst konzentriert, kann es seine Fehler auch schneller korrigieren.
Springen an der Longe wird vor allem für Pferde empfohlen, die von unerfahrenen Reitern geritten wurden und deren Rücken zu sehr strapaziert wurde. Beim Springen an der Longe können sie wieder Vertrauen gewinnen. Manchmal reicht es, das Pferd über ein oder zwei sehr breite Hindernisse springen zu lassen, um bestimmte Blockaden zu lösen, die man als Reiter nicht lösen kann. Ein sehr guter Sprung an der Longe kann blockierte Gelenke, besonders die Rückenwirbel wieder funktionsfähig machen. Beim Springen an der Longe heilt ein Pferd sich selbst. Es ist bemerkenswert, dass Pferde beim Landen häufig Bocksprünge machen, wenn sie merken, dass sie sich endlich frei bewegen dürfen. Die Dehnung des Rückens und die Schubkraft der Hinterhand können eigentlich nur beim Absprung über einen Sprung in dieser Form ausgeübt werden. Aus diesem Grund bin ich dafür, alle Pferde, egal in welcher Disziplin sie geritten werden (Dressur, Western, Freizeitreiten...), springen zu lassen. Ich bin von der therapeutischen Wirkung des Springens überzeugt, wenn es unter den richtigen Bedingungen und dem Ausbildungsgrad entsprechend durchgeführt wird. Wenn ich fühle, dass ein Pferd einen blockierten Rücken hat, lasse ich ihn 5 oder 6 Mal ein niedriges, aber breites Hindernis springen, wie etwa einen Wassergraben. Im Allgemeinen spüre ich die Verbesserung im Rücken dann bereits in den Grundgangarten. Die Pferde traben oder galoppieren auf einmal mit lockeren und raumgreifenden Bewegungen, was sie zuvor nicht oder nicht mehr taten.
Das Springen an der Longe bietet auch den Vorteil, dass das Pferd seinen Galoppsprung selbstständig anpassen kann und seine Reflexe und seine Schubkraft nach dem zu springenden Hindernis ausrichten kann. Das setzt voraus, dass der Longenführer so feinfühlig wie möglich einwirkt, vor allem vor und über dem Sprung, wenn das Pferd sich auf seine Bewegungen konzentriert. Man muss insbesondere darauf achten, beim Sprung nicht reflexmäßig die Hand zu heben. Dadurch riskiert man das Pferd zu erschrecken und seine Bewegungsfreiheit einzuschränken. Der kleinste Zug im Maul kann verursachen, dass das Pferd den Kopf hebt und den Rücken durchdrückt.
Ich ziehe das Springen an der Longe dem Freispringen vor. Das Freispringen ist weniger geeignet für die Ausbildung, da die Kontrollmöglichkeiten sehr begrenzt sind. Beim Freispringen gewöhnen sich die Pferde oft an, auf die Stangen loszustürmen, da sie vor der Peitsche fliehen. Das ist kontraproduktiv, denn das Ziel ist ja Ruhe und Konzentration in der Absprungs- und Landephase. Sinnvoll ist das Freispringen nur für ausgebildete und erfahrene Pferde, die man dazu bringen möchte, mehr Eigenverantwortung zu übernehmen. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass der Reiter sieht, dass sein Pferd springen kann…ohne Schenkel- und Zügelhilfen.
Aus dem Buch "Training an der longe für Reitpferde" |