Im Sattel glauben die Reiter stets, dass sie «etwas tun müssen». Doch wenn Ihr Pferd in der richtigen Gangart ist, mit der richtigen Haltung und auf dem richtigen Weg, brauchen Sie nichts zu tun! Bleiben Sie einfach an Ihrem Platz, seien Sie wachsam, wenn Sie die den weiteren Verlauf vorbereiten, und lassen Sie die Energie heraus, die in Ihnen und in Ihrem Pferd steckt.
Wie wir gesehen haben, ist es im Gegensatz zu einer weit verbreiteten Meinung nicht notwendig, viel Kraft in den Beinen zu haben, um ein guter Reiter zu sein. Warum kommt diese zierliche Reiterin so weit mit einem Pferd, das zuvor gegen einen starken und harten Reiter ankämpfte?
Genau wie bei den asiatischen Kampf-sportarten braucht man auf dem Pferd ausgehend von der richtigen Haltung nur die richtige Maßnahme zum richtigen Zeitpunkt zu ergreifen.
Versuchen Sie dies zu Fuß. Stützen Sie sich auf die Schulter oder die Hüfte Ihres Pferds. Beginnen Sie mit einem, dann mit fünf, dann mit zehn Kilo Druck. Sie werden sehen, wie das Pferd den Druck ausgleicht, indem es sich gegen Sie lehnt, ohne die Stelle zu verlassen. Machen Sie nun den gleichen Test, indem Sie nur einen kurzen Druck ausüben. Das leicht aus dem Gleichgewicht geratene Pferd wird sofort seine Beine bewegen, ohne zu versuchen, sich gegenzulehnen.
Das gleiche gilt im Sattel. Ihr Einwirken muss kurz und stets von Nachlassen oder Nachgeben gefolgt sein, noch bevor das Pferd die Bewegung begonnen hat. Handeln Sie kurz und lassen Sie dann dem Pferd die Zeit, um zu analysieren, zu begreifen und seinem Körper den Befehl zu geben, die Bewegung zu machen. Wenn Sie die Einwirkung fortsetzen, wird die Kommunikation beeinträchtigt. Stellen Sie sich vor, Sie bitten ein Kind, ein Glas Wasser zu holen. Während es zur Küche geht, sagen Sie ihm weiterhin: «Geh ein Glas Wasser holen - geh ein Glas Wasser holen - geh ein Glas Wasser holen...»- Was geht im Kopfe des Kindes vor? : «Aber genau das tue ich doch gerade… warum wiederholt er immer dasselbe?... Vielleicht wollte er etwas anderes, vielleicht habe ich ihn falsch verstanden...»
Es lässt sich leicht eine Parallele zwischen dem Einwirken des Reiters und diesem Beispiel herstellen. Wenn man eine Einwirkung fortsetzt, ohne dem Pferd die Zeit gelassen zu haben, darauf einzugehen, führt dies zu Unverständnis.
Viele Reiter klemmen die Beine an den Rippen des Pferdes fest. Langfristig kommt den Pferden dieser Druck wie ein zweiter Gurt vor, sie blockieren und werden im Extremfall steigen.
Nach jeder Aufforderung muss man zum Grundsitz zurückkehren. Wenn ich beispielsweise den seitwärtstreibenden Schenkel einsetze, darf ich nicht in dem «Aufforderungssitz» bleiben. Ich muss nach jedem Einwirken wieder in meinem Grundsitz zurückkehren.
Warum reagiert ein Pferd gut auf einen Schlag mit der Gerte oder auf Zungenschnalzen? Weil die Aufforderung prägnant und kurz ist. Auf jedes Einwirken des Reiters muss unverzüglich ein «Nichteinwirken» folgen, um dem Pferd Zeit zu lassen, zu begreifen und zu reagieren. Sie müssen Folgendes im Kopf haben: «Schenkel - keine Schenkel - Schenkel - keine Schenkel...» Schematisch gesehen wirken Sie während einer Zehntelsekunde ein, und das Pferd reagiert ein oder zwei Sekunden später. Für jedes Einwirken gilt das gleiche Verfahren, sei es zum Abwenden, zum Parieren oder zum Zulegen.
Aus dem Buch "Geheimnisse und Methoden eines grossen Meisters"