Wie trifft man den richtigen Absprungspunkt - 2. Teil
Auch wenn ein guter Galopp die unerlässliche Voraussetzung für ein gelungenes Anreiten ist, so bin ich davon überzeugt, dass 90% der Distanzprobleme auf die mentale Verfassung des Reiters zurück zu führen ist.
Auch wenn ein guter Galopp die unerlässliche Voraussetzung für ein gelungenes Anreiten ist, so bin ich davon überzeugt, dass 90% der Distanzprobleme auf die mentale Verfassung des Reiters zurück zu führen ist. Das Anreiten wird dann zu einem Problem, wenn Angst und Zweifel aufkommen. Nehmen wir beispielsweise einen höchst konzentrierten Reiter mit flexiblem Sitz und geschmeidigen Bewegungen. Einige Galoppsprünge vor dem Hindernis geht ihm Folgendes durch den Kopf: «Dieses Hindernis ist wirklich zu hoch… ich werde zu weit… zu nah… abspringen… mein Pferd wird verweigern… ich werde stürzen...» Der Reiter versteift sich, ändert seine Haltung und sieht zu Boden. Das Pferd wird seinerseits unruhig, und sein Galopp verschlechtert sich. Damit wird es schwierig, das Hindernis unter guten Bedingungen anzugehen.
Um dieses Problem zu lösen, müssen der Reitlehrer und der Reiter den Zeitpunkt ermitteln und analysieren können, zu dem der Reiter seine Gelassenheit verliert. Liegt es am mangelnden Selbstvertrauen oder am fehlenden Vertrauen ins Pferd? Oder sucht der Reiter etwas, was er nicht findet? Im Parcours reiten die Reiter im Allgemeinen das Hindernis, das sie am schwierigsten finden, schlecht an. Der Reitlehrer muss besonders seine Wortwahl überwachen, um bei seinem Schüler keinerlei Schuldgefühle zu wecken. Bemerkungen wie:
«Du reitest immer zu groß … zu dicht» haben eine verheerende Wirkung auf die Psyche des Reiters. Man muss sich im Gegenteil darum bemühen, alle negativen Gedanken und Beeinträchtigungen des Geistes zu erkennen und zu beseitigen.
Es muss bedacht werden, dass ein schwieriger Absprung im Allgemeinen nicht die Folge des falschen Taxierens des Reiters ist, sondern vor allem ein Problem der mangelnden Gelassenheit in Anbetracht des Hindernisses. Es passiert uns allen, zu dicht oder zu weit entfernt von einem Hindernis anzukommen. Doch wenn das Pferd gleichmäßig galoppiert und der Reiter in einer flexiblen und lockeren Haltung reitet, kann sich das Pferd strecken oder verkürzen, um eine passende Absprungstelle zu finden. Dafür muss der Reiter in seiner Haltung dazu bereit sein, mit den Bewegungen seines Pferdes mitzugehen... und er muss auch im Geiste dazu bereit sein. Das ist echte Harmonie: Ein gelassener Reiter und ein zufriedenes Pferd, das seinen Körper frei einsetzen kann.
Der Panoramablick und die Atemkontrolle stellen wertvolle Hilfen dar, um die muskuläre und mentale Entspannung des Reiters zu erwirken. Dies haben wir in den vorausgehenden Kapiteln untersucht.
Trainieren Sie mit einfachen Übungen, korrekten Distanzen und kleinen Hindernissen: Eine Bodenstange - 3 passende Galoppsprünge - ein Steilsprung von 30 cm - ein kleines Kreuz - 4 passende Galoppsprünge - ein kleiner Oxer... Wenn der Reiter die Übung unbesorgt angeht, nimmt er wahr, was geschieht, und die Entfernung, die ihn vom nächsten Hindernis trennt, gelassen taxieren. Durch das wiederholte Anreiten mit passenden Galoppsprüngen kann man sich das Gefühl für den optimalen Absprung einprägen. Es müssen Bilder und Gefühle geprägt werden, die im Geiste des Reiters zu Maßstäben werden.
Solange sich der Reiter seiner Sache nicht sicher ist, hat es keinen Sinn, die Hindernisse zu erhöhen. Und dies gilt für jeden Reiter, auf jedem Niveau!